Titel: Niclas & Ich   Urheber: Dominik Röttgers (Eigenes Werk)   Quelle: Privat   Lizenz: (c) Dominik Röttgers

Whisky&Brieffreundschaft

[ veröffentlicht am 02.05.2017 ]

Ein offener Brief an meinen Patensohn

von Dominik Röttgers


Mein lieber Niclas,

du fragst dich vielleicht, was das wieder soll. Du bist 9 Jahre alt, und dein Mimi schenkt dir bereits die zweite Flasche Schnaps, die erst ab 18 Jahren legal zu kaufen und zu konsumieren ist. Es ist aber nicht einfach nur Schnaps. Es ist Whisky!
Wie du weißt, sind es nicht irgendwelche Whisky, die du von mir bekommst. Ich bin kein Pate, der am Tag deiner Geburt ein Konto für dich anlegt, Wertpapiere oder Goldbarren kauft, um Jahre später deine erste Hi-Fi Stereoanlage oder den Führerschein damit zu finanzieren. Ich investiere lieber in “flüssiges Gold”. Falls du den Führerschein über andere Quellen finanziert bekommst – Glückwunsch! –, dann hast du die Möglichkeit, erlesene Tropfen, um die dich versierte Sammler*innen beneiden, mit guten Freund*innen zu teilen oder auch zu fesselnder Lektüre an einem gemütlichen Abend alleine zu genießen. Aber vergiss nicht: Don't drink and drive! Geht die Hand erst einmal zur Flasche, hat sie nichts mehr am Lenkrad zu suchen!

Und damit sind wir beim eigentlichen Thema, das ich dir nahelegen möchte: Alkohol macht Spaß! Alkohol macht lustig, locker, entspannt! Aber so wie zu viel der leckeren Schokolade schlechte Zähne oder dick macht. So wie dein Lieblingslied öde und nervig wird, wenn es im Radio den ganzen Tag hoch und runter gespielt wird. So hat auch Alkohol seine ernsten, anstrengenden und schlechten Seiten! Es ist in Ordnung (und durchaus gesund für die Psyche) mal über die Stränge zu schlagen, den Rausch zu suchen und zügellos zu sein, eine ganze Tafel zu essen und den mp3-Player über Tage auf “Repeat 1” zu stellen. Aber wenn dir Alkohol auf lange Sicht ein angenehmer Begleiter sein soll, musst du auch lernen und wissen, von ihm Abstand zu nehmen, es einfach mal gut sein zu lassen.
Der erste Schritt zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol ist, die Regeln zu beachten, die ich dir für die Lagerung der Flaschen aufgegeben habe: im Stehen lagern, damit der Alkohol den Korken nicht zerfrisst; ein-, zweimal im Jahr die Flaschen kurz wenden, damit der Korken nicht austrocknet; geschützt vor Sonnenlicht und an einem Ort mit geringen Temperaturschwankungen (am besten kühl) lagern!
Du siehst, die ganze Geschichte hat ihren Preis. Wenn du Freude an deinen Flaschen Whisky, an deinem Leben haben willst, musst du hin und wieder in Vorleistung gehen, den nötigen Einsatz bringen, um erst ein paar Jahre später belohnt zu werden. Entweder du holst dir dann das Geld von einem Sammler, der womöglich genau diese Flaschen für seine Kollektion sucht, für den diese Whisky aber nur in astreinem Zustand interessant sind. Oder du gönnst dir (und deinen Lieben) diese ganz speziellen Abfüllungen, weil du selbst es Dir wert bist!

Mein lieber Nic! Es gibt Menschen, die halten mich für verrückt und verantwortungslos, weil ich dir in deinem niedrigen Alter hochprozentige Spirituosen schenke. Vielleicht haben sie recht. Aber ich glaube an und habe Vertrauen in dich! Und wenn du über die kommenden Jahre Zurückhaltung zeigst, bis zur Volljährigkeit mit dem Öffnen der Flaschen wartest, dann weißt du besser als die meisten deiner Altersgenoss*innen, welch wertvolles Gut du da im Keller stehen hast, welchen Schatz du dir gerade ins Glas einschenkst. Du wirst ein Gefühl und Wertschätzung dafür entwickelt haben, was es bedeutet, einen Whisky vor sich zu haben, der so alt ist wie du selbst – oder sogar doppelt so alt! Das ist kein Sprit, den man einfach so runterkippt, um betrunken zu werden … und falls doch, vergiss nicht deinen Paten vorher einzuladen, um vorbei zu kommen und mitzutrinken!

Sláinte, mein Freund! Auf (d)ein langes und genussreiches Leben!


Dein Dominik
Berlin, 2014

P.S.: An die Eltern von Niclas: Ich muss Euch das nicht sagen, ihr wisst es selbst. Eigentlich ist das ja der Grund, warum ihr mich zum Paten gemacht habt … ich “versaue” euren Sohn. Ich sehe das als meine Aufgabe! Ich behandele ihn gerne wie einen Erwachsenen, wenn andere nur das Kind sehen. Und da dreht es sich eben um Dinge, die vermeintlich nur die Erwachsenen etwas angehen. Ich bin Spirituosenfachverkäufer und will Niclas (zumindest theoretisch) früh mit dieser Materie vertraut machen. Dahinter steckt die Absicht, dass er “Fehltritte”, wie sie sich in der gemeinsamen Jugend seines Vaters und mir abgespielt haben, bedachter angeht – nicht vermeidet, aber bedachter angeht! Und hey, wenn ihr euch gut benehmt, bekommt ihr vielleicht auch was ab von dem guten Zeug!


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