Titel: Mannequin with jeans   Urheber: Lion Hirth (Prissantenbär) (Eigenes Werk)   Quelle: commons.wikimedia.org   Lizenz: cc by-sa 3.0

Whisky&Ehrensache

[ veröffentlicht am 13.02.2019 ]

Der Flachmann-Fachmann | Praxis-Tipps eines historischen Hipsters

von Dominik Röttgers


Den Titel „Flachmann-Fachmann“ verdanke ich meinem Freund Kim. Es ist ein sonniger Sonntag auf einer Bank am Ufer einer Bucht in Berlin. Der Flachmann ist gezückt. Und mein Nebensitzer lässt das Kurzreferat zum Whisky, den ich ihm einschenke, über sich ergehen. Selten kommen Menschen in den Genuss dieser erlesenen Tropfen, ohne vorherige Vermittlung zumindest einiger grundlegender Informationen.
Kim nähert sich recht unbedarft mit der Intention, an unserem Gespräch teilzuhaben. Als erfahrener Mittrinker erkennt er sofort, es handelt sich um Whisky-Fachsimpelei. Jeglicher Versuch, an diesem Punkt zu intervenieren, muss scheitern. Kim reagiert recht nonchalant: „Hah! Der Flachmann-Fachmann.“ Der trockene Kommentar lässt mich für einen Moment verstummen. Scheinbar ohne uns weitere Beachtung zu schenken, dreht Kim ab und genießt im Gehen unser aufbrandendes, heiteres Lachen und die ihm Respekt zollenden Ausrufe.


Hah! Der Flachmann-Fachmann! Nach dieser Auszeichnung ist die Erweiterung meiner Whisky-Expertise mit Flachmann-Fachwissen und die Zusammenstellung einer kurzen Übersicht zu 1.) „Nutzung & Pflege“ sowie 2.) „Geschichte“ des Flachmanns Ehrensache.

1.) NUTZUNG & PFLEGE
- Beim Erwerb des Flachmanns abwägen zwischen Ästhetik und Funktionalität bzgl. Material, Design, Größe, …
- Mit Kette an der Kleidung befestigt ist der Mini-Flachmann (30ml Fassungsvermögen) ständiger Begleiter. Dieses praktische Accessoire versorgt eine Person mit Trinkgenuss. Der Markt bietet eine Vielzahl größerer Varianten. Standardmodelle haben +/- 200ml Fassungsvermögen. Für die Nutzung als Taschenflasche (Weste, Jeans) ist diese Größe ideal.
- Um den Verlust des Deckels zu verhindern, empfiehlt sich ein schwenkbar mit dem Flaschenkörper verbundener Schraubdeckel. Ein kleiner Trichter erleichtert das Befüllen ungemein.
- Den Flachmann nicht mit kohlensäurehaltigen Getränken (Gefahr des Ausbeulens) oder Saft (Gefahr von Materialschaden durch Säure; Verderblichkeit des Safts) befüllen. Das Material der Taschenflasche kann (auch bei Spirituosen) unerwünschte Auswirkungen auf den Geschmack (metallisch) haben.
- Das Tragen des Flachmanns am Körper über längere Zeiträume bzw. bei körperlicher Anstrengung kann sich aufgrund von Körperwärme negativ auf die Spirituose auswirken.
- Der Flachmann ist nicht als Aufbewahrungsgefäß vorgesehen. Innerhalb weniger Tage bis zu einer Woche vollständig leeren und vor erneuter Verwendung ausspülen.
- Nur mit Wasser (und evt. mildem Spülmittel) spülen. Ein- oder mehrmals kochendes Wasser (vorsichtig!) in den Flachmann gießen, dabei aber nicht vollständig befüllen. Verschließen, schütteln und einige Minuten stehen lassen. Beim letzten Spülgang kaltes Wasser verwenden. Gelegentlich zur Desinfektion mit reinem Alkohol ausspülen.
- Den leeren Flachmann gut trocknen lassen und unverschlossen lagern.

2.) GESCHICHTE
Von der Steinzeit bis zur Neuzeit nutzen Menschen bspw. Tierleder, Keramik und Glas für (Reise-/Transport-)Flaschen. Mit dem Aufkommen von Hosen- und Jackentaschen im 16. Jh. ist der Grundstein für die Entwicklung des Flachmanns gelegt. Anfangs Ei-förmig aus Glas, Holz oder Keramik hergestellt, sind Veränderungen der Form von Taschenflaschen meist gesellschaftspolitischem Wandel geschuldet. In wirtschaftlich schwächeren Schichten und dem Arbeitermilieu bleiben vergleichsweise günstige Flachmänner aus Glas bis ins 19. Jh. weit verbreitet. Zu dieser Zeit beginnen Ober- und Adelsschichten verstärkt aus (Edel-)Metall gefertigte Taschenflaschen zu nutzen. In der Wahl des Materials haben sich Metall und Plastik durchgesetzt.
Der Flachmann wird vermutlich als kleine Variante der Feldflasche für Soldaten entwickelt. Der Ursprung im 18. Jh. liegt je nach Quelle im Arbeitermilieu bzw. im englischen Landadel. Zum Übergang ins 20. Jh. entstehen speziell geformte Flachmänner für bspw. Stiefel. Während der Prohibition in den USA explodieren die Verkaufszahlen von Flachmännern, ca. 1920 entsteht der Begriff „hip flask“ und Flachmann-Träger werden als „hipster“ bezeichnet.

Somit gilt ganz offiziell: Der Flachmann-Fachmann ist ein Hipster!


Nach dem Tod des Großvaters bekommen die Enkel, was ihnen jeweils am nützlichsten ist. Das alte Auto geht an meinen Bruder. Und mein erster eigener Flachmann ist ein Erbstück. Die räumliche Entfernung zu meiner Freundin ist sowieso zu groß für komfortable Autofahrten. Und so intensiviert sich bei Reisen mit Bahn, Flugzeug und Schiff meine Beschäftigung mit Whisky – in Form von Flaschenkäufen (vgl. Von Zechprellern und Fernbeziehungen) und Reiseproviant aus Opas Flachmann.

Mit einem Quäntchen Stolz kann ich behaupten, den Flachmann als (m)einen steten Begleiter kultiviert zu haben. Freunde und Bekannte wundern sich, bin ich an meinen Alkohol freien Abenden ohne unterwegs. Als Spirituosenfachverkäufer erachte ich regelmäßige, trockene Tage als unabdingbar, im Bemühen einen gesundheitsbedingten Berufswechsel langfristig zu vermeiden. Doch während andere Gäste versuchen Schnaps in Berliner Clubs und Kneipen zu schmuggeln, habe ich an so manchem Tresen und einigen Türen das Privileg, mit der Frage begrüßt zu werden, was ich heute Leckeres mit mir führe – und ob davon probiert werden kann.
Ich bin überzeugt, dies ist nicht (nur) der Aussicht auf kostenfreien, exquisiten Schnaps geschuldet. Mein Flachmann in der Jackentasche hat nicht den kostengünstigen Rausch zum Zweck. Ich genieße es, Menschen meine Leidenschaft für Whisky näher zu bringen. So wie Liebe und Freude gehört Genuss zu den Aspekten im Leben, die durch Teilen und Schenken, gemeinsames und gemeinschaftliches Erfahren wachsen und gewinnen. Nur ein Schwein trinkt allein.
Selbst ausgewiesene, bekennende Whisky-Verächterinnen stoßen gerne mit mir an. Und gerade Freunde, die anfangs behaupten, sie könnten den Inhalt meines Flachmanns nicht wertschätzen, es sei „Perlen vor die Säue“, bescheren mir die schönsten Trinkmomente und Whisky-Geschichten, die ein Enthusiast sich wünschen kann. Womit wir wieder am Anfang dieser Geschichte und bei meinem Freund Kim angekommen sind.


Whisky& | Dominik Röttgers | Infotastement




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