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Whisky&Anfangsentspannung

[ veröffentlicht am 12.04.2017 ]

An die Whisky-Neugierigen

von Dominik Röttgers

Im Juli 2014 schreibt Andreas Hartmann in der taz von seinem Erlebnis bei Taste-the-Doom, einem außergewöhnlichen Tasting, bei dem Whisky mit Doom-Metal untermalt und kombiniert wird. Andreas kommt zu dem Punkt, dass Whisky – selbst in diesem Rahmen abseits der Whisky-Klischees von alten Männern und elitärem Fachsimpeln – immer noch als „Spezialwissenschaft“ wahrgenommen werde. Und ja, wenn man beginnt, sich mit dem Thema Whisky zu beschäftigen, wird nicht nur eine Tür aufgestoßen, da werden – Entschuldigt bitte die Formulierung! – ganze Lagerhäuser von Fässern aufgemacht.
Wer sich mit Whisky auf quasi-akademischer Ebene befassen möchte, wird nicht umhin kommen, sich mit Details des Produktionsprozesses wie der Größe und Form der Brennblasen, dem Phenol-Gehalt im Malz oder den Fässern zur Lagerung und Reifung auseinanderzusetzen. Beim letzten Punkt führt dies dazu, dass sich über andere Spirituosen und (alkoholische) Getränke informiert wird. Ex-Sherry-Fässer sorgen für andere Aromen im Whisky als Ex-Bourbon-, Ex-Rum- oder auch Ex-Sherry-Fässer einer anderen Sorte und … es ist schon wieder soweit. Als Whisky-Enthusiast*in fühlt man sich natürlich eingeladen, jede noch so oberflächliche Frage mit einem mehr-minütigem Vortrag zu biochemischen oder historischen Hintergründen zu beantworten. Leidenschaft verpflichtet!

Dabei ist alles eigentlich ganz einfach! Es hilft, zu wissen, dass es unzählige Varianten und Geschmacksrichtungen von Whisky (oder Whiskey) gibt. Welche das genau sind oder ihre Schreibweise, ist zu Beginn jedoch völlig schnurz. Denn das Wichtigste ist – und da wird jeder Whisky-Enthusiast zustimmen, egal wie alt und welchen Geschlechts: Schmeckt es Dir?

Die Konsequenz ist, zu akzeptieren, dass es kein Falsch oder Richtig gibt. Ich mag es für fahrlässig halten, eine Einzelfassabfüllung mit Fassstärke für mindestens 50€ die 0,7l-Flasche in einem Tumbler auf Eis zu trinken. Falsch ist es dennoch nicht. Solange das die Art ist, wie es Dir am Besten mundet. Auch die Fachsimpelei von einem Hauch geriebener Orangenschale im Aroma und dem Geschmack von Minze gepaart mit einem rauchigen Nachklang wird (erst einmal) völlig überbewertet. Je intensiver man sich mit Whisky beschäftigt, umso relevanter werden solche Angaben bei der Kaufentscheidung für die nächste Flasche hochpreisig Hochprozentiges.
Für die ersten Schritte ist jedoch völlig ausreichend, zu erkennen: das ist Whisky. So ergeht es meinem Freund Timo K., als er mit einer Woche Abstand einen 18-jährigen Glenfiddich Single Malt und einen 10-jährigen Aberlour Single Malt zu verkosten bekommt. Sein Kommentar zum Aberlour: „Ja, es riecht und schmeckt nach Whisky. Irgendwie wie der Glenfiddich vom letzten Mal.“ Da mag der selbsternannte Whisky-Experte aufschreien und sich echauffieren. Der Whisky-Enthusiast bleibt gelassen. Es ist eine Einsteiger-Einschätzung. Und sie stimmt! Es ist Whisky! Es sind beides Single Malt Scotch mit vergleichbarem Charakter und die Brennereien liegen sogar nur wenige Kilometer voneinander entfernt in der selben Whisky-Region Schottlands.

Sicherlich gibt es Sachverständige: Fachmänner und -frauen, wie professionelle Whisky-Autoren, Brennmeisterinnen oder Spirituosenfachverkäufer. Und mit entsprechendem Hintergrundwissen und Erfahrung ist es ein Leichtes, sich über Laien und Einsteiger*innen lustig zu machen. Aber lasst euch nicht entmutigen, liebe Neugierige!
Erstens habe ich bei persönlichen Begegnungen mit diesen Sachverständigen eigentlich nie erlebt, dass sich eine dieser Personen als „Expertin“ vorstellt und mit Arroganz die fehlende Erfahrung des Nachwuchses ins Lächerliche zieht. Wie soll ich mich auch als „Experte“ über Dein individuell-subjektives Geschmackserlebnis erheben?!
Zweitens ist selbst unter Fachleuten Rat teuer. Mein Ex-Kollege Andreas B., der seit bald 50 Jahren in der Gastronomie und Spirituosen-Branche tätig ist, entdeckt bei Verkostungen in jedem Whisky – mindestens dezent im Hintergrund – Schokoladenaromen: mal weiße, mal Vollmilch-, mal Zartbitterschokolade. Ein Mitarbeiter der Benromach Distillery im Nordosten Schottlands hingegen offenbart mir im Gespräch, dass er in über 30 Jahren in der Whisky-Branche noch nie in irgendeinem Whisky Schokoladennoten ausmachen konnte. Und so gilt hier wie oftmals im Leben: zwei Experten, drei Meinungen.

Sollte es doch einmal unausweichlich sein, zu sensorischen Eindrücken Stellung zu beziehen, ein kleiner Tipp: Scotch Single Malt Whisky wird aus gemälzter Gerste (Malt) hergestellt und mindestens drei Jahre in Eichenfässern gelagert und gereift. Einen Hauch von Gerste oder Malz am Gaumen oder Eichennoten im Nachklang zu schmecken, ist somit immer „richtig“.

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