Titel: Buda Arboreta. Lower Garden, pink, 2016 Újbuda [Ausschnitt]   Urheber: Globetrotter19   Quelle: commons.wikimedia.org   Lizenz: cc by-sa 3.0

Whisky&Zwischenmenschliches

[ veröffentlicht am 18.07.2017 ]

Fußfetischismus - eine Geschmacksfrage?!

von Dominik Röttgers


Die Wahrnehmung und Empfindung von Aroma und Geschmack ist äußerst individuell. Steht bei einem Spaziergang ein blühender Fliederstrauch am Wegesrand, pressen einige mit Freude ihren Zinken in die violette Blütenpracht, während andere mit Kopfschmerzen die Füße in die Hand nehmen. Manch eine überhäuft ihr indisches Tagesgericht am Mittagstisch mit frischem Koriander. Der Gegenüber verzieht angewidert das Gesicht, aber erfreut sich an seinem mit Beifuß gewürzten Fleisch. Weckt Rosenduft bei manchen nicht nur romantische, sondern auch sensorische Hochgefühle, ergreifen andere (ebenso aufgrund von Romantik oder Sensorik) panisch die Flucht. Ananas oder Kirsche, Aubergine oder Rosenkohl – die einen könnten darin baden, den anderen rollen sich die Zehennägel auf. Des einen Schmaus ist des anderen Graus.

Ähnliches gilt im Umgang mit Menschen. Es gibt Exemplare, die kann man einfach nicht riechen. Deren Nase passt einem nicht. Bereits beim ersten Anblick ist klar, dass und wo der Schuh drückt. Noch bevor die Person den Mund aufmacht – und ist es nur zum Atmen – baut sich eine innere Abneigung auf, die keinen fußbreit Raum für Sympathie lässt!
Ist man warum auch immer gezwungen, in direkten Kontakt zu treten, bestätigt sich, dass der erste Eindruck Hand und Fuß hatte. Selbst bei bestem Willen und im Versuch, unvoreingenommen an die Person heranzutreten, jegliches Bemühen, positive Aspekte auszumachen und hinter der Fassade, dem Vordergründigen ansprechende Charakterzüge zu erkennen, läuft ins Leere. Ob es dabei um die erwähnte, nicht passende Nase geht, sich um körperliche Eigenschaften handelt oder Begegnungen einen unangenehmen Nachgeschmack hinterlassen: Schon nach der ersten Runde ist deutlich, eine Wiederholung ist nicht gewünscht!
Es spielt keine Rolle, ob es sich um geschäftliche Bekanntschaften handelt oder private. Freunde oder Familie von Freunden, Kolleginnen, Vorgesetzte, Kunden und Geschäftspartnerinnen, andere Stammgäste in der Lieblingskneipe, Kameraden im Fußballverein oder die Person vor einem in der Schlange an der Supermarktkasse und auf dem Platz gegenüber im Zugabteil – Ort, Zeit und die Art der Beziehung sind irrelevant. Die Antipathie hat Fuß gefasst! Die Nase wird gerümpft, der Magen verkrampft sich und noch währenddessen kommt der Wunsch auf, das Gedächtnis verbannt dieses traumatische Zusammentreffen in die hinterste Ecke des für verdrängte Erinnerungen bestimmten Bereichs.
Dann tauchen die Familie, Freunde oder Kollegen dieser Person auf. Und es wird deutlich: Das ist ein systemisches Problem. Es handelt sich nicht, wie vielleicht gehofft, um einen traurigen Einzelfall, der ab sofort elegant zu umschiffen versucht wird. Nein, die sind alle so! Oder sie sind alle unterschiedlich, aber auf ihre eigene Art unerträglich. Die komplette Familie, der Freundeskreis, die Abteilung, das ganze Rudel, die Gruppe, das Pack.
In solchen Fällen hilft wohl nur Contenance wahren, einen Schritt zurück und sich bewusst machen, dass Leben manchmal Leiden heißt. Die Devise lautet, sich durchbeißen, den Brocken schlucken und hoffen, dass man ihn verdauen kann.

Die subjektive Bewertung ist auch bei Whisky entscheidend. Manche sehen bestimmte Abfüllungen als geschmackliche Offenbarung, andere finden sie ihr Geld nicht wert. Für den einen der „Whisky des Jahres“, möchte der andere diese Plörre nicht einmal zum Einreiben der Füße verwenden. Mir persönlich ergeht es so mit den stark rauchig-torfigen Whisky aus der schottischen Caol Ila Distillery auf Islay. Während mein ehemaliger Kollege Stefan B. großer Fan und Liebhaber der Brennerei und ihrem Schnaps ist, stehe ich nicht gerade auf gutem Fuß damit. Für mich ist jedes Glas ein Tritt in die Magengrube, mein Geruchsempfinden läuft Sturm wegen unzumutbarer Arbeitsbedingungen und meine Geschmacksknospen bekommen kalte Füße und verabschieden sich. Alle Versuche und Möglichkeiten, eine andere Erfahrung zu machen, scheitern. Egal ob es die 12-jährige Standardabfüllung ist, der 25-jährige, die Distiller‘s Edition oder eine Spezialabfüllung unabhängiger Abfüller, ich finde keinen Zugang, kriege keinen Fuß in die Tür. Und die ungetorfte Variante, abgefüllt mit 12 Jahren und 64%vol. von der Brennerei selbst, schmeckt wie eingeschlafene Füße!

Doch auf einmal taucht bei zwischenmenschlichen Geschichten die lebensfrohe Großmutter oder der sympathische Cousin, die kompetente Vize-Abteilungsleiterin oder der hilfsbereite Sachbearbeiter auf. Die anfangs gewonnene und anschließend festgetretene Meinung über die Person muss deswegen nicht revidiert werden. Unsympathen sind und bleiben oftmals genau das, füllen und erfüllen diese Rolle mit Bravour. Aber die Hoffnung und Überzeugung, dass ein zweiter Blick lohnt und man manchmal nur auf dem falschen Fuß erwischt wird, ist erneuert. Und der 6-jährige Caol Ila aus der Hepburn‘s Choice-Reihe von Hunter Laing mit 46%vol., Finish in einem Rum-Fass und lediglich 138 Flaschen weltweit hat mich geschmacklich und aromatisch mit Wucht aus den Latschen gehauen!


Whisky& | Dominik Röttgers | Infotastement




Whisky&Liebestrunkenheit


(M)Eine unerwartete Liebeserklärung ~ von Dominik Röttgers

[ veröffentlicht am 26.11.2016 ]
Whisky&Anfangsentspannung


An die Whisky-Neugierigen ~ von Dominik Röttgers

[ veröffentlicht am 12.04.2017 ]

zurückSeite 2