Titel: Caratula libro [Ausschnitt]   Urheber: Victorboitano (Eigenes Werk)   Quelle: commons.wikimedia.org   Lizenz: gemeinfrei | public domain

Whisky&Unterscheidungsmerkmale

[ veröffentlicht am 13.06.2017 ]

Geständnisse eines Drogenhändlers

von Dominik Röttgers


Ja, ich verkaufe Drogen. An jeden Menschen, der es sich leisten kann. Frau oder Mann. Schwarz oder weiß. Okay, bei jungen Menschen ziehe ich eine Grenze. Aber Kinder und Jugendliche sind die einzigen, bei denen nicht nur das Gesetz, sondern auch mein Gewissen, meine Moralvorstellung dem Deal im Weg stehen. Ansonsten bestimmt Dein Geldbeutel, ob wir ins Geschäft kommen. Fühle ich mich manchmal schlecht deswegen? Ja! Und Nein!

Es gibt Kundschaft, der sehe ich sofort an, dass es eigentlich besser, gesünder wäre, hier heute keinen Tausch Ware gegen Geld einzugehen. Die Drogen haben durch regelmäßigen, langjährigen Konsum ihre Spuren hinterlassen, die Person gezeichnet. Und trotzdem: Dies ist ein freies Land, ein freier Markt. Du brauchst den Stoff – ich packe ihn Dir in eine hübsche Tüte und wünsche Dir zum Abschied einen schönen Tag. Ob Du das Zeug alleine konsumierst oder mit Freunden, zu Hause, im Park oder unter der nächsten Brücke, ist nicht mein Problem. Es ist nicht meine Aufgabe, danach zu fragen oder mich darum zu kümmern. Ob Du einen schönen Abend damit hast und einfach nur Deine Stimmung aufhellst, oder ob Du am Ende über der Kloschüssel hängst und Dir die Seele aus dem Leib kotzt. Das Wie und Wieviel bestimmst nur Du!
Bei mir bekommst Du nicht nur den billigen Stoff. Den hab ich auch. Für einen vergleichsweise schmalen Taler versorge ich Dich mit der Möglichkeit, Dich abzuschießen, wegzuballern, ins Delirium zu befördern. Skrupel kenne ich dabei nicht. Du bist erwachsen und kannst selbst über deine Freizeitgestaltung, über Deinen Körper bestimmen. Selbst wenn Du während der Arbeit konsumierst oder bevor Du ein Fahrzeug führst, dafür gibt es Chefinnen und die Polizei, um Dich zur Rechenschaft und aus dem Verkehr zu ziehen. Natürlich empfehle ich solches Verhalten nicht! Ich prangere es bisweilen an und erkläre jedem und jeder, dass ich derartiges Verhalten verabscheue oder zumindest als fragwürdig erachte. Sein lassen, kannst es nur Du selbst!

Auch der Anzugträger, die Ärztin oder der Anwalt, die Pelzträgerin, der Architekt und die Richterin bekommen was sie verlangen. Ich habe die Deluxe-Variante für die Zielgruppe, die Wert auf die Geschichte hinter dem Stoff legt, die nicht nur für den schnellen Rausch, das Wegdriften zahlt, sondern bereit ist für das Besondere, das Image und den Status noch tiefer in die Tasche zu greifen. Solch illustrer Kundenkreis erwartet natürlich besonderen Service. Es will probiert werden. Wer kauft schon die Katze im Sack, mit der man sich vor Freunden oder Geschäftspartnern womöglich in die Nesseln setzt? Es bedarf eines Beratungsgesprächs über Herstellung, Herkunft oder sogar Verpackung. Da kann es nicht irgendein x-beliebiges Stöffchen sein. Ein – bisweilen unverschämt – hoher Preis gilt manchmal mehr, als tatsächliche Qualität. Das Exotische, das Seltene, das schwer zu beschaffende bringt Status und Respekt in Kenner-Kreisen. Dann werden die Scheine auf den Tisch geblättert, der Rubel rollt, die Kasse stimmt.
Klar, in solchen Fällen gibt es keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben. Diese Menschen scheinen ihren Beruf, ihr Leben im Griff zu haben. Die wirtschaftliche Situation ist bestens und sie sind gesellschaftlich akzeptiert, werden eventuell sogar hofiert.

Fast wie bei mir. Erzähle ich neuen Bekanntschaften von meiner Arbeit, ernte ich Ahas, Ohos und Ausrufe des Respekts. Stammkundschaft und Freunde schätzen mich wegen Fachwissen und kompetenter Beratung. Studieren hätte ich dafür sicherlich nicht müssen. Aber als Geisteswissenschaftler wird einem mehr als nur Verständnis entgegengebracht, wenn solch ein „Branchenwechsel“ aus Leidenschaft vollzogen wird. Ich liebe meine Arbeit und die Materie, die dabei im Mittelpunkt steht. Ich bin einer meiner besten Kunden. Was im Drogenhändlermilieu oft mit Schwierigkeiten verbunden, ist in meinem Fall durchaus von Vorteil: Die theoretische durch praktische Expertise zu untermauern, hilft enorm, Vertrauen beim Gegenüber aufzubauen.

Nein, ich bin kein schwarzer Afrikaner ohne Arbeitserlaubnis, der sich mit Marihuana-Verkauf im Park über Wasser hält! Ich verkaufe Whisky als selbständiger Spirituosen-Händler! Und was, außer der rechtlichen Frage von Legalität oder Illegalität der verkauften Ware, ist da jetzt der verschissene Unterschied?!

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